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Analyse: Warum Meta kein Interesse an Fakten hat – und was das für die Nutzer bedeutet

Stern 

Mit radikalen Maßnahmen will Meta vorgeblich die Meinungsfreiheit retten. Dabei hat der Konzern im Umgang mit Fakten ganz andere Maßstäbe. Das zeigt auch die jüngste KI-Offensive.

Facebook und Instagram werden künftig weitgehend auf Moderation und Faktenchecks verzichten. So kündigte es Meta-Chef Mark Zuckerberg am Dienstag an. Für die Nutzer hat das weitreichende Folgen. Vor allem, weil auch Meta selbst die Grenzen zwischen Realität und Fiktion offenbar immer weiter verschieben will – und auf KI-Versionen der Nutzer setzt. 

Den Richtungswechsel kündigte Facebook-Gründer Zuckerberg in einem Videoclip an. Zunächst nur in den USA will Meta die Zusammenarbeit mit Faktencheckern beenden und stattdessen wie der Konkurrent X auf sogenannte Community Notes setzen. Gleichzeitig will man die Moderation von Inhalten zurückfahren und etwa bei sexistischen Attacken oder Angriffen auf Minderheiten weniger streng sein. Zudem soll die Praxis beendet werden, politische Inhalte im Feed in den Hintergrund zu rücken. 

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Meta und die Wahrheit: Verschobene Anreize

Bei Zuckerberg klingt das alles natürlich positiver. Es gehe um Meinungsfreiheit, darum, den Menschen eine Stimme zu geben, betonte der Facebook-Gründer und CEO im Ankündigungsvideo. Die auf Druck der Biden-Regierung und auch der EU entstandenen bisherigen Maßnahmen bezeichnet er als "Zensur". Und von der sollen die Nutzer nun befreit werden, gibt er sich entschlossen.

Tatsächlich dürfte der Konzern aber handfeste wirtschaftliche Anreize haben, die Regeln anzupassen. Facebook und Instagram leben davon, dass die Menschen die Inhalte dort konsumieren und mit ihnen interagieren. Und das größte Engagement haben dort eben oft Inhalte, die kontroverser sind – vor allem im politischen Bereich. Faktenchecks und Moderation sind dagegen aufwendig und kostenintensiv. Zudem betreffen sie oft Inhalte, die von den Nutzern besonders engagiert geteilt werden – kosten Meta also gleich mehrfach Geld.

Von den Änderungen profitiert Meta doppelt: Zum einen spart man viel Geld, indem man die kostenintensiven Faktenchecks durch die Arbeit Freiwilliger in den Community Notes ersetzt. Zum anderen dürfen mehr Posts erscheinen – die zudem ein überdurchschnittlich hohes Engagement erwarten lassen.

Die Nutzer baden es aus

Für die Nutzung der Plattform wird die Veränderung wohl weitreichende Folgen haben. Die in den USA bereits in Kraft getretenen neuen Nutzungsrichtlinien legen etwa fest, dass Angriffe auf andere Menschen nur noch dann verfolgt werden, wenn sich jemand darüber beklagt. Die bisherige automatische Filterung verbaler Angriffe fällt damit weg. Das dürfte den ohnehin oft wenig zimperlichen Umgangston noch weiter verschärfen.

Auch dass politische Inhalte wieder stärker in den Vordergrund rücken, dürfte nicht folgenlos bleiben – vor allem in Verbindung mit der Abschaffung der Faktenchecks. Die Maßnahmen waren damals eingeführt worden, um der gezielten Manipulation der öffentlichen Meinung vor Wahlkämpfen entgegenzuwirken, zu der es etwa im Rahmen des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016 gekommen war. 

Sie nun wieder vermehrt zuzulassen, wird die weiter aufgeheizte politische Stimmung in vielen Ländern kaum abkühlen lassen – im Gegenteil. 

Diese Regeln bleiben

Totale Anarchie muss man aber wohl nicht fürchten. So bleibt es auf Instagram und Facebook weiter verboten, Minderheiten als Insekten oder Ungeziefer zu bezeichnen, den Holocaust zu leugnen oder afrikanisch-stämmige Menschen in Anlehnung an die Sklaverei als "Farm-Werkzeug" zu bezeichnen. Andererseits ist es aber indessen etwa erlaubt, Menschen wegen der Zugehörigkeit zu Gruppen für die Corona-Pandemie verantwortlich zu machen, Homosexualität als Geisteskrankheit zu bezeichnen – oder Frauen als Haushaltsgegenstände, wie "CNN" berichtet. Meta beruft Trump-Vertrauten in den Verwaltungsrat 16:39

Eine Versumpfung wie beim Konkurrenten X, bei dem selbst die Leugnung des Holocaust oft ohne Folgen bleibt, ist für die Meta-Dienste deshalb wohl vorerst nicht zu befürchten. Harscher wird der Ton aber wohl allemal werden, vor allem Minderheiten müssen wohl mit vermehrten – und ungeahndeten – Angriffen rechnen.

Richtungswechsel

Die Abkehr vom Faktencheck mag überraschen, aus dem Nichts kommt sie aber nicht. Meta hatte die Schutzmaßnahmen zwar eingeführt, allerdings erst als Reaktion auf den Gegenwind aus Politik und Gesellschaft. Schon letztes Jahr hatte sich Zuckerberg in einem Brief an den republikanischen US-Abgeordneten Jim Jeffries über den Druck aus der Biden-Regierung und der EU beschwert, die von ihm verlangten, Probleme mit Fake-News in den Griff zu kriegen. Gleichzeitig beschwerte sich die Rechte, dass sie von den sozialen Medien unterdrückt würde. 

Dass es auch anders geht, konnte Zuckerberg bei den Konkurrenten beobachten. Elon Musk machte vor, dass man mit einem Kurs in Richtung des rechten Spektrums zumindest von einer Seite den Druck abmildern und sogar in Lob umwandeln kann. Fast noch wichtiger könnte aber das Beispiel Tiktok gewesen sein. Nachdem Donald Trump Metas wichtigsten Konkurrenten 2019 noch zum Verkauf an amerikanische Investoren zwingen wollte, lobte er die Videoplattform in den letzten Monaten zunehmend – weil sie seinem Wahlkampf geholfen hatte. Statt sich von beiden Seiten zermalmen zu lassen, hat sich Zuckerberg nun offenbar für eine entschieden.

Dass bisher nur die USA die neuen Regeln bekommen, ist aber leider kein Grund zum Aufatmen. Man werde die Trump-Regierung bitten, auch andere Länder unter Druck zu setzen, um ihre Beschränkungen zurückzunehmen, erklärte Zuckerberg. Eine nahezu unverhohlene Drohung in Richtung der EU.

Meta will mehr KI

Dass es weniger Faktenchecks gibt, könnte Meta auch in einer Hinsicht helfen, die bisher noch wenig Aufmerksamkeit bekommen hat: Der Social-Media-Gigant will künftig immer mehr auf KI-Inhalte setzen – und sich damit auch ganz offiziell in Gefilde wagen, in denen Fakten immer unwichtiger werden.Zuckerberg politisch

Man wolle im Zukunft mehr KI-Accounts haben, die Content posten, erklärte der Konzern Ende Dezember in einem Blog-Post. Das Ziel sei, die Interaktion zwischen den menschlichen Nutzern zu erhöhen. Zudem gab es in den letzten Wochen immer mehr Berichte, in denen Instagram-Nutzern KI-Bilder ihrer selbst angezeigt wurden – als Werbung des Netzwerks selbst. 

Welches Ziel genau Meta mit der KI-Kampagne verfolgt, ist bisher noch nicht bekannt. Bisher deutet allerdings alles daraufhin, dass der Konzern die Grenzen zwischen echten Posts und Werbung noch weiter einreißen will, als es jetzt schon der Fall ist – in der Hoffnung, dass die Nutzer die Werbung nicht mehr als solche erkennen. In einer solchen Vision wären Fakten oder Wahrheit wohl ohnehin fehl am Platz. Und prüfen ließen sie sich auch kaum noch. Da kann man es auch einfach lassen.

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