Corona-Tagebuch: Langsam nahm die Krankheit an Fahrt auf
Mannheim. Plötzlich sind da zwei Striche auf dem Antigen-Schnelltest – trotz Impfung. Besonders überrascht bin ich ehrlich gesagt nicht, als die kleine Testkassette mir die schlechte Nachricht übermittelt: Du hast Corona! Nicht nur, dass das Infektionsgeschehen ein Tempo aufgenommen, das einem den Atem stocken lässt, ein merkwürdiger Schnupfen ärgerte mich, meine beiden Söhne von zwei und vier Jahren und meine Frau, die erst vor zwei Wochen unsere kleine Tochter entbunden hatte. Trotzdem wähnten wir uns in Sicherheit.
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Die Kinder testeten wir ohnehin zweimal in der Woche wegen Kindergarten und Krippe. Und uns selbst, seitdem wir erkältet waren, täglich. Ich bin außerdem schon lange geimpft, meine Frau noch nicht, da ihre Frauenärztin aufgrund einer Risikoschwangerschaft bis drei Wochen nach dem Kaiserschnitt warten wollte. Sie traf es auch schlimmer und lag mit Fieber im Bett – aber die Tests waren zunächst bei allen Familienmitgliedern eindeutig negativ. Trotzdem blieb ein kleiner nagender Zweifel.
Als ich dann nach drei Tagen mit mäßiger Erkältung meinen Geschmacks- und Geruchssinn innerhalb weniger Stunden vollständig verlor, wollte ich es noch mal wissen. Ich machte zum zweiten Mal den Test an dem Tag, der die Vorahnung bestätigte. Auch der meiner Frau zeigte nun zwei Striche an, ein positives Ergebnis. Also informierten wir uns beim Gesundheitsamt, und ab ging es zum Testzentrum. Nach zwei Coronafällen in unserem Umfeld kannten wir den Weg dorthin schon. Und die Quarantäne.
Trotz des regen Andrangs wurden wir im Testzentrum des Mannheimer Universitätsklinikums sehr freundlich behandelt, und auch auf die Kinder ging das Personal mit viel Empathie ein. Die Ergebnisse kamen nach und nach in den darauffolgenden Tagen: alle positiv. Da ich schon berufsbedingt als Reporter mit den Entwicklungen in der Pandemie täglich zu tun habe und mir klar war, dass ein Impfdurchbruch nichts Ungewöhnliches mehr ist, fiel ich nicht aus allen Wolken, etwas genervt war ich aber schon.
Ich trage die Maske überall, halte Abstand, bin geimpft, lüfte regelmäßig, und jeder, der uns besucht, ist mindestens getestet. Dennoch hat es uns erwischt, genau wie mein Opa, der in unserer Quarantäne-Zeit im Krankenhaus wegen eines gebrochenen Arms lag und – ebenfalls Corona positiv – verstarb. Ob er infolge der Infektion von uns gegangen ist, vermag ich nicht zu sagen. Die Trauerarbeit, vor allem für meine Oma, bleibt mir jedenfalls verwehrt. Nicht wegen eines Verbots, sondern weil ich selbstverständlich niemanden anstecken will. Wo wir uns das Virus eingefangen haben, ist nicht ganz klar. In der Kindertagesstätte sind jedenfalls mehrere Familien und Erzieherinnen positiv getestet worden. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass wir das Virus dort selbst eingeschleppt haben, ich weiß es nicht.
Ich bin eigentlich kein ängstlicher Mensch. Meine Frau, die ein exzellentes Immunsystem hat, und ich sind beide erst 30 Jahre alt, außerdem weiß ich natürlich, dass meine Söhne und auch das Baby eigentlich zu klein sind für einen schlimmen Verlauf. Sieht man sich aber ihre blassen Gesichter mit den Augenringen an, die einen bei einer Grippe nicht weiter verwundert hätten, schießen mir Bilder von Beatmungsmaschinen und Krankenhausbetten in den Kopf oder erinnere ich mich an Berichte von den wenigen Fällen, in denen es für die Kleinen eben doch nicht so glimpflich ausging.
In der ersten Nacht schlief ich schlecht. Nach jedem Huster lag ich wach und horchte, ob nicht doch jemand Atemnot bekam. Die Sorgen waren zum Glück zwar unberechtigt. Die Krankheit nahm dennoch langsam Fahrt auf. Das Abwehrsystem meiner Partnerin knickte zusehends ein, es zeigten sich immer mehr Symptome: Husten, Schnupfen, Fieber, starke Hals-, Glieder-, Bauch-, Ohren-, Zahn- und Kopfschmerzen, ein Hautausschlag und Lippenherpes. Sie und alle drei Kinder bekamen außerdem eine Bindehautentzündung, die Kleinen waren weinerlich und schwach.
Wir alle essen eigentlich gern, aber ohne den Hauch eines Geschmacks schrumpften die Mahlzeiten zu einem Pflichttermin zur Nahrungsaufnahme. Ein Netz aus Freunden und Familie versorgte uns zuverlässig mit Essen und Drogerieartikeln, und sogar Pakete mit kleinen Geschenken fanden sich vor der Tür. Worüber wir sehr dankbar und glücklich sind, denn die "Dauerfreizeit" in der Vier-Zimmer-Wohnung ohne Garten entlud sich immer häufiger in Reibereien, Frust kam auf. Trotz allem brachten wir jeden Tag ohne schlimmen Streit über die Bühne, auch wenn die Situation manchmal zäh und strapaziös war, gerade wenn die kleinen Energiebündel nicht den Grad an Aktivität erhalten, den sie gewohnt sind.
Dass es uns einigermaßen gut geht, liegt sicherlich auch daran, dass wir uns trotz Sorgen und wirklich ekelhafter Unannehmlichkeiten in einer privilegierten Position befinden, in der wir weder eine wirkliche Gefahr für unser eigenes Leben, noch den Verlust der Wohnung oder einen völligen Verdienstausfall fürchten mussten. Außerdem kümmern wir uns umeinander. Wem es schlecht geht, der wird von den anderen versorgt, darauf kann sich jeder verlassen. Mittlerweile hat es sich alles etwas eingependelt. Wir basteln viel, hören Hörbücher und kochen unsere Lieblingsrezepte, auch wenn wir die Gerichte nicht schmecken. Ob ich nun Zweifel an der Impfung habe? Mitnichten. Wenn ich den Krankheitsverlauf meiner Partnerin sehe, die seit eineinhalb Wochen leidet oder den meine Kinder betrachte, von denen ich nicht weiß, ob sie "Long Covid" Symptome haben werden, dann wünsche ich mir, dass sich früher mehr Menschen geschützt hätten und wir vielleicht verschont geblieben wären.
Auch mein Krankheitsverlauf lässt Rückschlüsse auf die Impfung zu. Ich fühle mich oft schlapp, bin manchmal verwirrt, habe Schnupfen und hatte ebenfalls diffuse Bauchschmerzen. Aber wenn es dabei bleibt, dann bin ich froh.