Wiesloch: Personalmangel bei der Post ist "jeden Tag zu spüren"
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Wiesloch. (seb) Als Reaktion auf den Artikel "Woher kommt die Wut gegenüber Postangestellten?" über Anfeindungen gegenüber Postangestellten in Wiesloch hat die Redaktion jetzt Kritik erreicht.
Eine Leserin und ein Leser aus Wiesloch betonten im Gespräch mit der RNZ, dass es nicht nur um gelegentliche Verspätungen von Briefen oder Paketen gehe und auch nicht nur um ein bis zwei Tage, die man auf die Post warten müsse. Da gehe es um ein fundamentales Problem, das selbstverständlich keinerlei Aggressionen gegenüber Postangestellten rechtfertige, aber zur Wahrheit dazugehöre.
Ganz offensichtlich liege es an der Coronakrise, in der viel mehr als sonst per Internet bestellt werde, sodass das Paketaufkommen stark gestiegen sei, räumten die Leserin und der Leser ein. Die Vorweihnachtszeit verschärfe diese Situation sicherlich noch. Aber was sie mit Zustellern erlebt hätten, sei nicht allein dadurch erklärbar.
So hätten sie auf direkte Nachfrage erfahren, dass der Postangestellte die Briefe zwar bei sich habe, dass jetzt aber Feierabend sei und daher nichts mehr ausgetragen werde. "Und nicht nur einmal", betont die Leserin: "Zwei Mal kam bei uns nichts an, dabei hatte der Postbote die Briefe offenbar dabei."
Vor etwas über zwei Wochen beispielsweise, als sie bereits ungeduldig auf wichtige Mitteilungen des Zolls gewartet habe, regte sich wieder der Verdacht, dass die Briefe zwar vorliegen, aber aus welchen Gründen auch immer nicht zugestellt werden, erzählt die Leserin. "Da habe ich dem Postboten eine Tafel Schokolade geschenkt, als Dankeschön." Und wie als hätte die "Bestechung" gewirkt oder sich das Gewissen geregt: "Eine halbe Stunde später war er wieder da und hatte ein ganzes Bündel für uns dabei: elf Briefe. Elf. Und die waren alle viele Tage zu spät."
Was wiederum regelmäßig und pünktlich ankomme, seien Werbung und Spendenaufrufe, berichtet der Leser überspitzt. Er habe die Austräger bereits darauf angesprochen und sich bei der Post beschwert, doch ohne Erfolg. Für ihn sei offensichtlich, dass es an den Arbeitsbedingungen liege: Offenbar würden regelmäßig Überstunden nötig, die Vergütung stimme aber nicht.
"Das ist der Fachkräftemangel", meint Gewerkschaftssekretär Imre Uysal von Verdi Rhein-Neckar. Die Post setze zu wenig Personal ein, und das werde gerade jetzt, in der von Corona geprägten Vorweihnachtszeit, besonders deutlich spürbar. In anderen Bereichen sei das Personal ebenfalls knapp, aber bei der Post bekomme es jede und jeder "direkt und jeden Tag zu spüren". Klar sei: Postangestellte seien systemrelevant und verdienten, besser bezahlt zu werden.
Uysal hatte aber eine gute Nachricht: Die Post habe bereits reagiert und zwei Entlastungskräfte nach Wiesloch geschickt, um das hiesige Team zu unterstützen. Außerdem würden kleinere Pakete zusätzlich über andere Abteilungen der Post geleitet. Das sei vielleicht nicht genug, aber immerhin etwas.
Der Verdi-Vertreter zeigte Verständnis für die Frustration der Kundinnen und Kunden, wenn eine Zustellung zu spät ankomme, "das rechtfertigt aber nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen so krass angefeindet werden". Die Zustellerinnen und Zusteller "sind die Allerletzten, die etwas für die Situation können".
Etwas Versöhnliches konnte Imre Uysal aber auch berichten: Eine Wieslocher Zustellerin habe von einem Dankesschreiben als Reaktion auf den RNZ-Artikel berichtet, in dem gelobt worden sei, wie stark sich die Postangestellten engagieren.