Mit einem beispiellosen Manöver setzt China Taiwan unter Druck. Eine Blockade, ein Krieg oder doch nur eine Machtdemonstration? Was jetzt auf dem Spiel steht – und warum Europa betroffen wäre. China erhöht den militärischen Druck auf Taiwan so stark wie nie zuvor. Beim Großmanöver "Mission Gerechtigkeit 2025" umzingeln Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und Raketeneinheiten die demokratisch regierte Insel. Peking spricht von einer Warnung an "separatistische Kräfte" und ausländische Unterstützer, während die USA neue Waffenlieferungen genehmigen und Japan vor einer Eskalation warnt. Der Konflikt um Taiwan ist längst mehr als ein regionaler Machtkampf. Er berührt zentrale Fragen der internationalen Ordnung, der globalen Wirtschaft und der Sicherheit Europas. t-online erklärt die wichtigsten Fragen. Spannungen um Taiwan: China startet großes Militärmanöver als Warnung Geheimes Projekt? Fotos zeigen chinesischen Frachter mit Raketensystemen Was für eine Übung findet statt? China hält seit Montag das bislang größte Militärmanöver seiner Geschichte rund um Taiwan ab. Die Übung trägt den Namen "Mission Gerechtigkeit 2025". Beteiligt sind Truppen aller Teilstreitkräfte, darunter Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge, Bomber, Raketen- und Artillerieeinheiten. Geübt werden unter anderem Angriffe auf See- und Landziele, Flugabwehr, U-Boot-Abwehr sowie erstmals in diesem Umfang eine mögliche Blockade der Insel. Am zweiten und nach chinesischen Angaben letzten Tag kamen auch Raketen zum Einsatz. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten auf der chinesischen Insel Pingtan, die nur wenige Kilometer von Taiwan entfernt liegt, wie am Dienstag mindestens zehn Raketen abgefeuert wurden. Das taiwanische Verteidigungsministerium registrierte innerhalb von 24 Stunden rund 130 chinesische Militärflugzeuge sowie 14 Kriegsschiffe und weitere staatliche Schiffe rund um die Insel. Was bezweckt China damit? Peking bezeichnet das Manöver als "ernste Warnung" an "separatistische Kräfte" in Taiwan und an ausländische Unterstützer. China will damit militärische Stärke demonstrieren, Abschreckung erzeugen und seine Fähigkeit zeigen, Taiwan notfalls einzukreisen oder vom See- und Luftverkehr abzuschneiden. Es ist bereits die sechste große Militärübung dieser Art seit 2022. Beobachter sehen darin auch den Versuch, konkrete Angriffsszenarien zu erproben. Peking scheint die Manöver zu nutzen, um Angriffe auf Ziele auf Taiwan zu trainieren, etwa das von den USA gelieferte Raketensystem Himars. Dieses hat eine Reichweite von etwa 300 Kilometern und könnte Ziele an der Küste Südchinas treffen. Die Rhetorik aus Peking hatte sich zuletzt weiter verschärft. Auslöser waren unter anderem Äußerungen der japanischen Ministerpräsidentin Sanae Takaichi, wonach ein chinesischer Angriff auf Taiwan eine militärische Reaktion Japans nach sich ziehen könnte. Erstmals erklärte die chinesische Volksbefreiungsarmee nun öffentlich, die Übungen zielten auf die "Abschreckung" einer militärischen Einmischung von außen. Nach Angaben des zuständigen Ostkommandos testen die Manöver die Fähigkeit der See- und Luftstreitkräfte zu koordiniertem Vorgehen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Simulation einer Blockade der wichtigen taiwanischen Häfen Keelung im Norden und Kaohsiung im Süden. Welchen internationalen Status hat Taiwan? Taiwan trägt offiziell den Namen Republik China. Bis 1971 vertrat Taiwan China bei den Vereinten Nationen, dann ging der Sitz an die Volksrepublik China über. Heute erkennen nur noch wenige, meist kleinere Staaten Taiwan diplomatisch an. Die meisten westlichen Länder – darunter Deutschland und die USA – pflegen enge, aber inoffizielle Beziehungen. Sie unterhalten sogenannte De-facto-Botschaften und erkennen taiwanische Pässe an, ohne Taiwan als souveränen Staat anzuerkennen. Ist Taiwan bereits ein unabhängiger Staat? Taiwan ist de facto unabhängig, aber völkerrechtlich ist der Status umstritten. Die Insel verfügt über eine demokratisch gewählte Regierung, ein eigenes Militär, eine eigene Währung und kontrolliert ihr Territorium selbst. Peking erkennt dies nicht an und betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Die taiwanische Regierung argumentiert, die Volksrepublik China habe nie über die Insel geherrscht und habe daher kein Recht, sie zu vertreten. Wie reagiert Taiwan auf das Manöver? Die Regierung in Taipeh bemüht sich um Deeskalation, betont zugleich aber ihre Verteidigungsbereitschaft. Präsident Lai Ching-te verurteilte das chinesische Vorgehen scharf. Das Manöver sei eine "unverfrorene Provokation" und eine Gefahr für die regionale Stabilität, erklärte er. Zugleich versicherte Lai, Taiwan werde nichts unternehmen, um den Konflikt weiter eskalieren zu lassen. Militär und Küstenwache überwachen die Lage eng. Nach Angaben der taiwanischen Luftfahrtbehörde kam es durch das Manöver zu spürbaren Einschränkungen im Flugverkehr . Flüge zu den Taiwan unterstehenden Inseln Kinmen und Matsu wurden abgesagt, rund 6.000 Passagiere waren betroffen. Zudem seien etwa 850 internationale Flüge durch die chinesischen Aktivitäten beeinträchtigt worden. Ein Vertreter der taiwanischen Küstenwache sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man verfolge chinesische Schiffe in der Anschlusszone genau und wolle sie zum Rückzug zwingen. Wie äußert sich Donald Trump? US-Präsident Donald Trump zeigte sich nach eigenen Angaben unbesorgt über das chinesische Großmanöver rund um Taiwan. Er verwies auf sein gutes persönliches Verhältnis zu Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping . "Ich habe eine großartige Beziehung zu Präsident Xi. Er hat mir nichts davon erzählt. Ich habe es natürlich gesehen", sagte Trump am Montag vor Reportern. Auf die Frage, ob ihn die Militärübung beunruhige, antwortete Trump: "Nein, nichts beunruhigt mich." Er glaube zudem nicht, dass China eine Invasion plane. Die chinesischen Aktivitäten ordnete er als langfristig ein: "Seit 20 Jahren machen sie in diesem Gebiet Marineübungen. Jetzt nehmen die Leute es etwas anders wahr." Zugleich setzt Trump sicherheitspolitisch auf Abschreckung. Erst vor wenigen Tagen genehmigte seine Regierung eines der bislang größten Waffenpakete für Taiwan im Umfang von 11,1 Milliarden Dollar. Es umfasst unter anderem Raketen- und Artilleriesysteme, Drohnen sowie Panzerabwehrwaffen. Washington begründet die Lieferungen mit dem Ziel, Taiwans Selbstverteidigungsfähigkeit zu stärken. Peking verurteilt die Waffenlieferungen scharf und sieht darin einen schweren Verstoß gegen das "Ein-China-Prinzip". Gemeint ist damit: China reklamiert für sich, dass es nur einen chinesischen Staat gibt, zu dem auch Taiwan gehört (siehe oben). Welche Folgen hätte eine Blockade auf Deutschland und Europa? Nach Einschätzung des CDU-Bundestagsabgeordneten und Taiwan-Experten Klaus-Peter Willsch hätte ein Konflikt oder eine Blockade Taiwans massive Folgen für Deutschland und Europa. "In Deutschland wird häufig unterschätzt, welche massiven wirtschaftlichen und technologischen Folgen ein Konflikt um Taiwan hätte", sagte der Vorsitzende der Deutsch-Taiwanischen Parlamentariergruppe der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Dienstag veröffentlichten Interview. Die USA und alle anderen Industriestaaten seien in hohem Maße von taiwanischen Schlüsselunternehmen wie dem weltgrößten Halbleiter-Auftragsfertiger TSMC abhängig. "Diese Abhängigkeit begründet ein starkes internationales Interesse, China von einer Invasion abzuhalten." Gleichzeitig müssten auch nicht-militärische Bedrohungen wie Blockaden, Hybridangriffe oder Subversion ernst genommen werden. "Hier sind die Verbündeten Taiwans gefordert, frühzeitig vorzusorgen." Als langjähriger Vorsitzender der Deutsch-Taiwanischen Parlamentariergruppe verfolge er die Entwicklung in Ostasien sehr genau. "Die Liste der Repressionen und Drohungen seitens der Volksrepublik China ist lang und wächst stetig." Bei jeder Gelegenheit versuche Peking, den Namen Taiwan zu tilgen oder mit dem Label "China" zu versehen. Obwohl Taiwan de facto unabhängig sei, unternehme die chinesische Führung alles, um das Land international zu isolieren. "Dieser systematische politische Druck hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft." Die Bedeutung der Region zeigt sich auch im laufenden Manöver. Durch die Taiwanstraße werden jährlich Waren im Wert von rund 2,45 Billionen Dollar transportiert. Wie nehmen Deutschland und Europa Einfluss auf den Konflikt? Deutschland und die Europäische Union erkennen Taiwan nicht als Staat an und folgen der Ein-China-Politik. Zugleich wächst in Berlin und Brüssel die Sorge um die Stabilität im Indopazifik. Die Bundesregierung hat Taiwan zuletzt vorsichtiger als demokratischen Partner bezeichnet und die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Region stärker in den Blick genommen. Militärische Sicherheitsgarantien gibt es jedoch nicht. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte sich Anfang Dezember während eines Chinabesuchs optimistisch gezeigt, dass es im Streit über den Status von Taiwan vorerst nicht zu einer Eskalation kommen werde. "Ich kann meine Warnung nur wiederholen, dass wir angesichts der zahlreichen Konflikte, die es auf der Welt gibt, auf keinen Fall in dieser sehr stark befahrenen Seehandelsstraße noch einen weiteren Konflikt benötigen", sagte Wadephul in Peking. "Ich habe auch überhaupt gar nicht den Eindruck, dass eine derart kritische Entwicklung bevorsteht." Noch im August hatte Wadephul China ein "zunehmend aggressives Auftreten" in der Taiwanstraße vorgeworfen, der Meerenge zwischen der Insel und dem chinesischen Festland. Das chinesische Außenministerium beschuldigte ihn daraufhin, "zur Konfrontation anzustacheln und Spannungen anzuheizen". Chinas Vizepräsident Han Zheng forderte Deutschland später auf, den chinesischen Kurs zu stützen. Zur Ein-China-Politik, die auch Deutschland verfolgt, gehöre es, die Taiwanfrage als innere Angelegenheit Chinas zu betrachten. Donald Trump: Deutschland muss sich das nicht gefallen lassen – ein Essay Droht ein Krieg? Ein unmittelbarer Krieg gilt weiterhin als unwahrscheinlich, das Risiko ist jedoch gestiegen. China hat mehrfach erklärt, eine formelle Unabhängigkeit Taiwans notfalls mit Gewalt verhindern zu wollen. Einem Entwurf für einen Bericht des US-Verteidigungsministeriums zufolge geht Peking davon aus, bis Ende 2027 in der Lage zu sein, einen Krieg um Taiwan zu führen und zu gewinnen. Das Datum fällt mit dem 100. Jahrestag der Gründung der Volksbefreiungsarmee zusammen. Gleichzeitig gibt es Zweifel an der tatsächlichen Einsatzbereitschaft. Die jüngste Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping innerhalb des Militärs hat die Führung zwar gestärkt, wirft aber auch Fragen zur Stabilität und Schlagkraft der Streitkräfte auf. Derzeit setzen alle Seiten vor allem auf Abschreckung. Fraglich ist, wie die USA reagieren werden, sollte der Konflikt eskalieren. Ex-Präsident Joe Biden hatte noch gesagt, die USA müssten auf einen chinesischen Angriff militärisch reagieren. Donald Trump hatte das bislang offengelassen, spielt den Konflikt stets herunter.