Kakao: Warum die Schokolade aus dem Supermarkt wenig mit echter zu tun hat – zu Besuch bei Chocolatiers
Zu keiner Zeit im Jahr wird mehr Schokolade gegessen als an Ostern. Millionen und Abermillionen Schokohasen werden produziert. Was unterscheidet den industriellen Hasen von dem eines Chocolatiers? Ein Besuch in der Schokomanufaktur.
20, 21 Stunden stehen sie derzeit in ihrer kleinen Schokoladenmanufaktur. Sechs Tage in der Woche. Geschlafen werden kann später. Léonie Mohnert und Corentin Feraud müssen an Rührmaschine und Gießtrichter, müssen kristallisieren und dickziehen, glasieren, spritzen, bemalen. Ostern ist Schokoladen-Hochzeit. Zu keiner anderen Zeit im Jahr sind die Gelüste auf Schokolade größer – nicht einmal an Weihnachten.
Schokolade ist der Deutschen liebste Süßigkeit. Fast zwei Tafeln in der Woche, insgesamt knapp zehn Kilo im Jahr, werden pro Kopf im Schnitt gegessen – am liebsten Vollmilchschokolade. Mohnert und Feraud hatten es lange nicht so mit der Süßigkeit aus der Kakaobohne. Erst, als sie mit dem echten Handwerk, dem echten nicht-überzuckertem Kakaogeschmack in Berührung kamen, entwickelten die beiden Patissiers eine Leidenschaft für Schokolade, ließen sich in Frankreich zu Chocolatiers ausbilden. Dort lernten sie sich kennen. Fast 15 Jahre ist das her. 2020 öffneten sie ihren Laden in Hamburg.
Schokolade ist eine Diva
Léonie Mohnert und Corentin Feraud stellen ihre Schokolade und Pralinen im französischen Stil her. Die Pralinen sind im Vergleich zur belgischen Machart kleiner, die Ummantelung dünner. Und anders als in der Schweiz spielt Milchschokolade nicht die Hauptrolle. Jede Praline, jede Geschmacksrichtung sagt sie, passe zu einer Emotion. Ob das nun klassisch Nougat ist oder eine Lavendel-Zitronen-Kombination.
"Schokolade ist eine Diva", sagt die 32-Jährige. Stimmt die Temperatur nicht, kristallisiert die Schokolade nicht wie sie soll. Das wirkt sich auf Farbe, Geschmack und Konsistenz aus. Einmal nicht aufgepasst und die Schokolade zerbröselt, anstelle zart zu schmelzen. "Als Chocolatier kann man nicht panschen", sagt sie. Ein einziger Fehler könne die ganze Praline ruinieren. Schoko-Osterhasen und Co im stern-Test: Chocolatiers verraten, was gute von schlechter Schokolade unterscheidet
Schokoladenpreise haben sich verdoppelt
Die deutsche Süßwarenindustrie hat im vergangenen Jahr etwa 230 Millionen Schoko-Osterhasen hergestellt. Dazu kommen Lämmer, Küken, Eier und andere Osterwaren aus Schokolade. Zum Vergleich: Bis die Hamburger Chocolatiers ihren Schoko-Hasen "Albert" entwickelt hatten, dauerte es einen Monat – angefangen bei der Ausarbeitung der Form. Die Herstellung eines Hasens, er ist mit Haselnussnougateiern gefüllt, dauert von Anfang bis Ende zwei Tage.
Insgesamt etwa fünf Tonnen Kakao verwerten die Chocolatiers jährlich. Verglichen mit den weltweiten Produktionsmengen ist das nichts. Allein in der Kakaosaison 2021/2022 wurden 4,9 Millionen Tonnen Kakao produziert. Die größten Anbauländer sind die Elfenbeinküste und Ghana. Ihr Anteil an der Gesamtproduktion liegt bei fast 60 Prozent. Mit den meisten Erzeugern der verwendeten Rohstoffe stehen sie, erzählen Léonie und Corentin, direkt in Kontakt und können die Bohne bis zum Bauer zurückverfolgen. Aus Bolivien nutzen sie Wildbohnen, die aus Madagaskar schmecken eher fruchtig, die aus Peru floral.
Der Osterhase der Chocolatiers kostet 44 Euro, im Supermarkt gibt es zum Teil Hasen für weniger als einen Euro – allein aufgrund der verwendeten Rohstoffe und der zurückgelegten Importwege ist das für Léonie Mohnert unbegreiflich. Schokolade ist ein Deutschland ein Mainstreamprodukt, aber eines, das in Zukunft deutlich teurer werden könnte. Denn Missernten in den Hauptanbauländern sorgen dafür, dass der Kakao aktuell so teuer ist wie seit Jahrzehnten nicht. Innerhalb eines Jahres hat sich der Preis für die Bohnen verdoppelt. Darauf müssen auch die Hersteller reagieren – manche drehen am Preis, andere an der Rezeptur, viele an beidem.
"Das Geschmackserlebnis der meisten Menschen ist von industrieller Schokolade geprägt", sagt sie. Das Problem: mit echter Schokolade haben diese Produkte immer weniger zu tun. "Weil der Rohstoff immer teurer wird, verwenden manche immer weniger Kakao für ihre Schokolade", so Léonie Mohnert. Daher hinterließen viele Produkte nur noch Süße im Mund und keinen anderen Geschmack. Dass man trotzdem immer mehr davon wolle, liege vor allem am vielen Zucker – "der macht süchtig."
Den stern-Schokoladentest mit den Chocolatiers und wie man gute von schlechter Schokolade unterscheiden kann, lesen Sie hier.