Heidelberger Frühling: Herrliches Hörvergnügen mit Jörg Widmann
Von Simon Scherer
Heidelberg. Erst am Vortag waren sie aus London zurückgekehrt. Beim dortigen internationalen Streichquartett-Wettbewerb in der Wigmore Hall kam das Goldmund Quartett bis zum Finale, von dem sie stolz mit einem 2. Preis in die Alte Aula nach Heidelberg zurückkehrten. Aus Zeitgründen konnten sie daher nicht Jörg Widmanns Jagdquartett vorbereiten, weshalb sie diesen "Frühlings"-Abend mit Haydns op. 33 in h-Moll eröffneten. Denn dieses Quartett Nr. 1 hatten die Geiger Florian Schötz und Pinchas Adt, Bratschist Christoph Vandory und Raphael Paratore am Cello bereits bestens ausgearbeitet.
Das Allegro, das zunächst sehr dezent anmutete, abgeschirmt in einer behüteten Welt, öffnete sich, kehrte aber schnell wieder zum Ursprung zurück. Mit dem Tempo wurde hingegen freizügig umgegangen, so dass der klassische Rahmen um spürbar romantische Züge ergänzt wurde. Ein äußerst individualistischer Haydn, der bei stiller Heimlichkeit gern bis ins hinterste Kämmerlein verschwand. Zwischen unterschiedlichen Tempi wurde auch im Scherzo gesprungen, bevor das Andante beinahe zum Solokonzert wurde. Der Primarius agierte allerdings ungewohnt munter und ausgelassen, wenn er nicht von der Zugkraft seiner Mitstreiter in tragischere Gefilde mitgezogen wurde.
Im Finale hat ihr alles aufscheuchende Temperament erneut ein anderes Kapitel aufgeschlagen, was op. 33 zur richtigen Geschichte machte, der man gerne zuhörte. Ihre herzhaften Aufstriche mischten ebenso Mozarts 14. Quartett G-Dur ordentlich durch, was im Gesamteindruck nie zu schleppend wurde, da hier auch zaghaften Kleinigkeiten nachgespürt wurde. Zahlreiche Musizierpraktiken wurden dort miteinander verbunden. Losgelöst vom betonten Taktschlag entfaltete sich das Andante, das mit angedeuteten Abgründen und tief blickenden Gefühlen erneut in die Romantik vorauswies.
Mit malerischer Sanftheit kreierten die Vier in Webers Klarinettenquintett B-Dur die perfekte Ausgangslage für Jörg Widmann. All die typisch Weberschen Läufe, die ihn als Meister der Klarinettenkompositionen auszeichnen, gestaltete Widmann ebenso spritzig wie kurzweilig. Und stets im regen Austausch mit seinen Kollegen, wo sich allerlei zugespielt, aber auch Fragen gestellt wurden. Mit Routine und größter Spiellaune war der Solist für alles offen. Seine leichte Tonansprache ermöglichte ihm in der Fantasia außerdem enorme Gestaltungsspielräume mit differenziertesten Nuancen. Das Quartett zog dabei überall hin mit. Selbst im winzigen Umfeld eines Pianissimos baute der Klarinettist frechen Witz ein, was Publikumsreaktionen nicht verfehlte. Welch herrliches Hörvergnügen.