Heilbronn: Der Geist des Bauhauses lebt im Neckarbogen weiter
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Da rieben sich selbst kulturbeflissene Heilbronner die Augen, als in der ARD-Kultursendung "Titel-Thesen-Temperamente" der neue Stadtteil Neckarbogen als Neuauflage des Bauhauses gefeiert wurde. Er ist als "Stadtausstellung" Teil der Bundesgartenschau (Buga). Der "Bauhaus-Vergleich" erschließt sich nicht gleich. Der Zeitgeist sieht da "Bauhaus", wo er will. Kann dafür der Neckarbogen wirklich herhalten?
Im letzten Jahr gab es in Berliner Aedes-Forum die Ausstellung "Heilbronn - eine Stadt entwirft sich neu", im Mittelpunkt standen neben dem Neckarbogen auch der Bildungscampus und die neue "experimenta" der Dieter-Schwarz-Stiftung. Zum Neckarbogen hieß es: "Architektur, Baumaterial, Gestaltung und Ausstattung des ersten Bauabschnitts sind getragen von den großen Entwicklungen der Bauhaus-Ideen und haben ihrerseits den Anspruch, sowohl zukunftsweisende wie auch gebrauchs-ästhetische Entwicklungen ausstellungsreif zu verwirklichen."
Der Bauhaus-Vergleich an prominenter Stelle hat nicht nur geschmeichelt, er hat auch zum genaueren Hinsehen angeregt. Der Neckarbogen ist kein "einfach so" hingestellter Stadtteil, sein Anspruch geht weit über das Architektonische hinaus mit "Wohnen von morgen" in all seinen Facetten, mit nachhaltigem Bauen, neuen Baustoffen, zukunftsorientierter Mobilität und sozialer "Durchmischung". Die ersten 23 Häuser werden schon während der Buga von 800, vielleicht sogar 1000 Menschen bewohnt. Die Nutzung zeigt 51 Prozent Mietwohnungen (einschließlich einer hohen Quote von gefördertem Wohnbau) und Eigentumswohnungen.
Die Erdgeschosse werden von der Buga als Ausstellungs- und Begegnungsräume genutzt, später für Läden, Kleingewerbe und unter anderem auch ein Inklusionscafé. Gleich nach der Buga geht es mit der Nachverdichtung und Innenentwicklung weiter, damit hier bis Ende der 2020er Jahre 3500 Menschen wohnen und 1000 arbeiten.
Ein "Gesamtkunstwerk" unter dem Dach der Architektur, das Bauhaus-Gründer Walter Gropius vorschwebte, mag man im Neckarbogen auch dank der bleibenden Grünanlagen sehen. Seine "Gefälligkeit" ist das Ergebnis eines strikt angewandten, strengen Gestaltungshandbuches. Die Richtlinien und auch die Grundstücksvergabe danach haben die sonst so verbreitete "Investorenarchitektur" verhindert und Qualität ermöglicht. Bei den unterschiedlich gestalteten Fassaden einzelner Objekte springt die Bauhaus-Forderung nach einer Symbiose von Kunst und Handwerk geradezu ins Auge.
Das gilt auch für die Innenhöfe, die einem erweiterten Landschaftsbegriff folgend, individuell gestaltet wurden. Barbara Brackenhoff, verantwortliche Buga-Architektin für den ersten Bauabschnitt, sagte dazu: "Das Bauhaus wird grün." Ihren Leitgedanken einer "sozialen Architektur" sieht sie durchgängig umgesetzt. Der Schweizer Architekt und Nachfolger von Gropius, Hannes Meyer, schrieb ein Bauhaus-Ziel mit dem Diktum "Volksbedarf statt Luxusbedarf" fort.
Auch wenn es jetzt schon Kritik an zu hohen Erwerbs- und Mietkosten gibt: Sie halten sich angesichts der Marktlage noch im Rahmen. Der verlangte Verzicht auf Penthäuser, der Investoren nicht leicht fiel, und die Forderung, stattdessen für alle begehbare Dachgärten anzulegen, lässt den Geist des Bauhauses in Heilbronn leben. Ebenso die Vielfalt weiterer sozialer Räume, angefangen beim Fahrradkeller, und die lichten Treppenhäuser als Begegnungsstätten.
Ein wenig Wasser in den Wein schüttet Marc Gundel, Leiter der Städtischen Museen in Heilbronn. Eine neue Fortschreibung der Ästhetik des Bauhauses oder gar eine neue und experimentelle Formensprache, so sagt er, sehe er nicht, aber: "Die Modernität des Neckarbogens und der gezeigten Quartierentwicklung passt und ist nicht zu kritisieren."