Heilbronn: Die A6-Brücke ist verschoben (Update)
Heilbronn. (dpa/lsw) Der nördliche Teil der neuen Brücke über das Neckartal bei Heilbronn ist erfolgreich verschoben worden. Am späten Freitagnachmittag sei das 48 460 Tonnen schwere und 820 Meter lange Bauwerk an seiner endgültigen Position angekommen, teilte ein Sprecher der Autobahngesellschaft ViA6West mit. Rund 140 Mitarbeiter hätten diese technische Meisterleistung ermöglicht. Die Brücke entsteht im Zuge des Ausbaus der Autobahn 6. Sie wurde rund 22 Meter verschoben.
Ein zweiter Teil der Brücke aus Stahl soll dann Mitte Februar verschoben werden. Er ist rund 510 Meter lang. Im Spätsommer diesen Jahres soll der sechsstreifige Ausbau der A6 zwischen der Anschlussstelle Wiesloch/Rauenberg und dem Weinsberger Kreuz beendet sein.
Update: Freitag, 14. Januar 2022, 21.37 Uhr
Wie ein fast 50.000 Tonnen-Teil der A6-Brücke versetzt wird
Von Armin Guzy
Heilbronn. Im April 2019 vereint, am Donnerstag schon wieder geschieden – allerdings nur auf Zeit. Voraussichtlich schon am Valentinstag, am 14. Februar, werden die betonharte Vorlandbrücke und die stählerne Neckarbrücke wieder ein Paar sein – und es dann hoffentlich auf Jahrzehnte hinaus bleiben. Die beiden Brückenteile bilden zusammen die nördliche Fahrspur der Autobahn A6 am Neckartalübergang bei Heilbronn. Seit Donnerstag wird der erste der beiden Partner, die Vorlandbrücke, um exakt 21 Meter und 74 Zentimeter in ihre endgültige Position gezogen – und zwar als gesamtes Bauwerk. Ein so kniffeliges Unterfangen in dieser Größenordnung ist nach Einschätzung der Experten bislang wohl einmalig. Es ist, als würde das komplette Kreuzfahrtschiff Queen Elizabeth 2 an nur 22 armdicken Stahlseiltrossen über Land gezogen – oder fünf Eiffeltürme.
Gemächlich geht es zu, am Donnerstagmittag. Die Spezialisten an den in computergesteuerter Harmonie arbeitenden Hydraulikzügen löffeln Eintopf an der Baustellenkantine; die fast 50 000 Tonnen Stahlbeton ruhen derweil. Seit 7 Uhr arbeiten die sogenannten Litzenheber, ziehen die nördliche Vorlandbrücke Millimeter für Millimeter in Richtung des zweiten, bereits nahezu fertiggestellten Autobahnbrückenteils. Über diesen rollt der Verkehr seit Monaten behelfsmäßig auf je drei Fahrstreifen in beide Richtungen. Voraussichtlich im Spätsommer, wenn alles fertig ist, wird jedes Brückenbauwerk dann wieder nur noch in eine Richtung befahrbar sein.
Spektakulär ist die von zahlreichen Medien begleitete ingenieurtechnische Höchstleistung nur mit großem zeitlichen Abstand. Jede Schnecke würde an diesem sonnigen, aber kalten Donnerstag ein Rennen gegen die Vorlandbrücke gewinnen. Sie wäre mit 0,003 Stundenkilometer sogar doppelt so schnell, zumal der Zeitplan schon mittags nicht mehr zu halten ist: Fünf Meter in fünf Stunden sind deutlich weniger als die eigentlich geplanten siebeneinhalb Meter. Der "Querverschub", der ja genau genommen ein Querverzug ist, ist: in Verzug. Darüber beunruhigt scheint indes niemand, schließlich war der Freitag ohnehin schon als Reservetag eingeplant. "Wir wollen absolut präzise und nicht unter Zeitdruck arbeiten", sagt Michael Endres, Pressesprecher der Projektgesellschaft ViA6West, die den Autobahnabschnitt zwischen Wiesloch und Weinsberg im Auftrag des Bundes seit mehr als fünf Jahren durchgängig auf sechs Fahrstreifen ausbaut.
Viel schlimmer, als etwas Zeit zu verlieren, wäre es, würde sich das kolossale Brückenbauteil verkanten oder sich eine der teflonbeschichteten und zusätzlich gefetteten Stahlplatten verschieben, auf der die Brücke dahingleitet. Dann träfe der Beton der Brücke auf den Beton der eigens aufgebauten Verschiebebahnen, was gar nicht gut wäre. Für dieses Schreckensszenario stehen zwar vorsichtshalber schon riesige Hydraulikheber bereit, mit denen sich die Brücke notfalls um wenige Zentimeter anheben ließe, der Aufwand aber wäre immens. Also setzt man lieber auf langsame, aber präzise "Verziehungsarbeit". Es geht schließlich vor allem um die Sicherheit von mehr als 100 Arbeitern und langfristig von Millionen Autobahnnutzern.
Auf ein paar Stunden mehr kommt es angesichts der seit Januar 2017 laufenden Bauzeit ohnehin nicht an. "Wir liegen unerwartet gut im Zeitrahmen", blickt Christine Baur-Fewson, Direktorin der Niederlassung Südwest der Autobahn GmbH des Bundes, auf die absehbare Fertigstellung Mitte des Jahres. Das sei gut für alle Autobahnnutzer, aber auch für die gesamte Region, denn "vor allem die Lkw stauen sich gerade wieder wahnsinnig" auf der so wichtigen Verkehrsachse.
Der Neubau und Verschub der beiden Brückenteile ist der größte und teuerste Bestandteil des Streckenausbaus, die nahende Fertigstellung für Baur-Fewson ein Grund zur Freude.
Nicht anders bei Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht wie auch bei allen Chefs der Anrainerkommunen, wobei Sinsheim in Sachen Autobahnstau mit Abstand am leidgeplagtesten sein dürfte. Zeitweise verging keine Woche ohne einen schweren, nicht selten tödlichen Unfall auf der A 6 und das darauf folgende Verkehrschaos in der Stadt. Albrecht ist am Donnerstag als Schirmherr der "Virtuellen Akademie A 6" und Teilnehmer eines Podiumsgesprächs vor Ort. Er freut sich, dass der positive Effekt des Ausbaus in seiner Stadt bereits spürbar ist und folglich auch auf weniger belastende Einsätze für die Feuerwehr. Unumwunden räumt Albrecht ein, dass er angesichts des Bau- und Finanzierungsmodells über eine Öffentlich-Private-Partnerschaft anfangs skeptisch gewesen sei. Nun aber lobt er das Vorhaben und die "stets mögliche Kommunikation" mit den Verantwortlichen in höchsten Tönen: "Das kann man nicht besser machen." Und er weiß: "Sinsheim wäre ohne die Autobahn nicht das, was es heute ist."
Derweil haben sich die eigens in der Schweiz engagierten Spezialisten an den Litzenhebern wieder an die Arbeit begeben. Aus der Ferne betrachtet, wirken sie in ihren Monturen wie gelbe und orangefarbene Blümchen auf einer betongrauen Wiese. Sie haben nicht nur heute und morgen noch einiges zu tun, sondern auch in den folgenden Tagen und Wochen: Ist die Vorlandbrücke in ihre endgültige Position gebracht, bauen sie die 22 je zwei Tonnen schweren Litzenheber ab und 820 Meter weiter östlich an der Neckarbrücke wieder auf, um auch dieses Brückenteil in die richtige Lage zu ziehen, schließlich soll im Februar wieder Brückenhochzeit sein. Der stählerne Partner ist übrigens mit 20 000 Tonnen und 520 Metern deutlich leichter und kürzer. Ein Klacks wird aber auch sein Umzug nicht.
Update: Donnerstag, 13. Januar 2022, 19.01 Uhr