Rhein-Neckar Löwen bei Balingen-Weilstetten: Wenn die "Hölle Süd" verstummt
Von Tillmann Bauer
Balingen. Block F, Reihe 4, Platz 26. Das ist nicht der Auserwählte eines Gewinnspiels, sondern einer der ganz wenigen Sitzplätze, die es am Donnerstagmorgen noch im Online-Shop der Balinger Sparkassen-Arena zu erwerben gab.
Und – welch Wunder! – am Abend blieben nur noch wenige Stehplatz-Tickets.
Denn die Bundesliga-Handballer von HBW Balingen-Weilstetten, die als "Gallisches Dorf" wie nur wenige andere Teams der Liga von den Zuschauern getragen werden, durften erstmals seit zwei Jahren Pandemie ihre kleine, aber schmucke Halle wieder voll auslasten.
1991 Menschen kamen ins Schwabenländle (2350 hätten gedurft) – und ließen sich auch nicht von der weiter geltenden Maskenpflicht abhalten, für die gewohnte Atmosphäre in der "Hölle Süd" zu sorgen.
Nur im Laufe des zweiten Abschnitts wurde es immer leiser.
Warum? Die Rhein-Neckar Löwen machten ein gutes Bundesliga-Spiel, ließen die Fans dadurch verstummen und verpassten dem Tabellenschlusslicht einen herben Stimmungsdämpfer: Trainer Ljubomir Vranjes und seine Jungs freuten sich nach der Länderspielpause über einen 31:22 (16:12)-Auswärtserfolg bei HBW Balingen-Weilstetten.
"Das war sehr diszipliniert, sowohl in der Abwehr als auch im Angriff", sagte Coach Vranjes nach dem Spiel zur RNZ: "Es geht in die richtige Richtung."
Tatsächlich: Nach den Liga-Siegen in Minden und gegen Melsungen war es nun das dritte Löwen-Erfolgserlebnis in Serie. Ergebnistechnisch, aber eben auch sportlich ist ein klarer Aufwärts-Trend zu erkennen.
Aktuelle sportliche Beispiele? Joel Birlehm spielte eine starke Partie, in der er allein im ersten Abschnitt acht spektakuläre Paraden (insgesamt 13/46 Prozent) verbuchte. Niclas Kirkelokke war im rechten Rückraum auf sich allein gestellt, weil Albin Lagergren krank fehlte (dafür war Junglöwe Elias Scholtes dabei) – Kirkelokke (8 Treffer/9 Versuche) knüpfte aber an seine sehr gute Form an und war wieder erfolgreichster Werfer. Juri Knorr durfte im Rückraum beginnen und brachte die Übersicht aufs Feld, mit der er jüngst auch bei der Nationalmannschaft überzeugen konnte.
Weil all das zusammenkam – und Balingen viele technische Fehler einstreute, die man sich als Tabellenletzter nicht erlauben darf, sah’s zur Pause (16:12) recht komfortabel aus – im Laufe des zweiten Abschnitts (Balingen erzielte sieben Minuten kein Tor) war die Begegnung dann früh entschieden (25:15/48. Minute).
"Geduld und Ruhe war dabei wichtig", meinte Vranjes: "Dadurch konnten wir Tor für Tor wegziehen."
Dabei auffällig: Linksaußen Benjamin Helander (Sprunggelenk) feierte sein Comeback, Torwart-Rückkehrer Mikael Appelgren hielt in der Schlussphase spektakulär zwei Gegenstöße.
Ach ja: Trotz hoher Niederlage gab’s von den Schwaben-Fans keine Pfiffe – sie klatschten lautstark in die Hände.
Wer den Handball liebt, kann diesem Klub nur den Klassenerhalt wünschen.
Balingen: Lipovina 4/3, Nothdurft 3, Wiederstein 1, Schoch 3, Strosack 3, Saueressig 2, Heinzelmann 3, Todorovic 2
Löwen: Gislason 1, Schmid 2/1, Zacharias 3, Knorr 3/2, Groetzki 7, Kohlbacher 4, Kirkelokke 8, Patrail 1, Helander 2/1
Strafminuten: Ingason 2, Schoch 2, Saueressig 2 – Zacharias 2, Gislason 2
Stenogramm: 1:3 (5.), 3:5 (10.), 7:7 (15.), 8:9 (20.), 11:12 (25.), 12:16 (Halbzeit), 12:18 (35.), 13:20 (40.), 14:23 (45.), 17:29 (50.), 18:29 (55.), 22:31 (Ende)
Zuschauer: 1991