Batterietechnologie: Warum es immer mehr Chiphersteller nach Ostdeutschland zieht
In Ostdeutschland werden derzeit Milliarden in Chipfabriken und erneuerbare Energien investiert. Woher kommt das Engagement? Tesvolt-Gründer Daniel Hannemann über den Standortvorteile und seinen Weg zum grünen Industriellen.
Herr Hannemann, die meisten Start-up-Gründer entwickeln Software, Sie dagegen starten in der Lutherstadt Wittenberg den Bau einer großen Fabrik für Batteriespeicher. Das ist sehr ambitioniert. Wie kam es dazu?
Wir machen natürlich auch Software, aber tatsächlich ist unser Kerngeschäft Hardware. Es braucht riesige Mengen an Speicher, damit die weltweite Energiewende funktioniert. An windigen und sonnigen Tagen erzeugen erneuerbare Energie Überschüsse, die man sehr gut nutzen kann, indem man sie "zwischenlagert“. In Pumpspeicherkraftwerken, als Wasserstoff oder eben in Lithiumspeichern, wie wir sie herstellen. Wir erleben gerade den Anfang eines großen Speicherzeitalters. Die Nachfrage wächst derzeit jedes Jahr um mehr als 40 Prozent.
Warum bauen Sie die Fabrik in Wittenberg und nicht in Asien, wo die Produktion wesentlich günstiger wäre?
In Asien zu fertigen ist natürlich immer der leichtere Weg. Aber wir würden unser gesamtes Know-how transferieren und riskieren, unseren Innovationsvorsprung zu verlieren. Unser Weg sieht anders aus: Die einfachen Batteriezellen, die aus Asien kommen, werden in Wittenberg mit unseren Technologien "verheiratet“: Sie erhalten ein intelligentes Batteriemanagementsystem, das sie leistungsfähig und langlebig macht. Sämtliche Platinen, die wir verwenden, werden in Deutschland hergestellt. Wir ziehen unsere Lieferketten stark europäisch auf.
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt stehen an der Spitze bei den Erneuerbarer Energien. Erlebt Ostdeutschland eine grüne Revolution?
Ja, Ostdeutschland entwickelt sich zu einem Zukunfts-Industriestandort im Herzen von Europa. In Brandenburg hat sich Tesla angesiedelt, in Thüringen der chinesischen Batterie-Hersteller CATL, in Magdeburg wird der US-Konzern Intel eine Chipfabrik bauen. Das sind Wahnsinns-Investitionen. Dazu kommen dann die nachgelagerten Wertschöpfungen bei Zulieferern.
Wir haben das, was der Westen nicht hat: große Flächen.
Was macht diese Standorte so attraktiv?
Wir haben das, was der Westen nicht hat: große Flächen. Tesla hat in Brandenburg 400 Hektar, Intel benötigt eine ähnliche Fläche. Solche Areale werden sie in Bayern oder Baden-Württemberg nicht erhalten. Dazu kommt die gute Infrastruktur und die Nähe zu Polen, Tschechien und der Slowakei, wo man noch Fachkräfte findet. Wer hier herzieht, findet zudem auch noch bezahlbare Wohnungen.
Für die Chipfabrik, die Intel in Magdeburg plant, erhält der US-Konzern zehn Milliarden Euro vom Bund. Finden Sie so hohe Subventionen richtig?
Wir haben in Deutschland und in der Europäischen Union zwei große Ziele: der Umstieg auf erneuerbare Energien, also das, was wir mit Tesvolt machen, und die Digitalisierung. Für beides ist Hardware das Fundament. Deshalb ist die Ansiedlung der Chipindustrie in Magdeburg und Dresden goldrichtig.
Bekommen Sie als Start-up auch großzügige Subventionen?
Wie jedes Unternehmen in Sachsen-Anhalt haben wir mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen Anspruch auf sogenannte GWR-Mittel. Das haben wir getan und erhalten rund sechs Millionen Euro Förderung im Rahmen der Investitionssumme von 30 Millionen Euro. Ansonsten finanzieren wir uns recht konservativ, wir haben wenig Investoren an Bord und arbeiten mit Banken zusammen.
Ich glaube, dass auch Markus Söder den Klimawandel verstanden hat, aber er lässt sich von der Stimmung in der Öffentlichkeit ablenken.
Reiner Haseloff, der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, ist selbst Physiker. Als Student hat er an der Uni CO2-Teilchen in der Atmosphäre gemessen. Er sagt in einem stern-Interview: "Die Klimaziele sind unantastbar". Hilft es einem Start-up wie Tesvolt, wenn Politiker ein tiefgreifendes Verständnis des Klimawandels haben?
Wir sind sehr froh, dass er unser Ministerpräsident ist, er wohnt auch hier in Wittenberg und man läuft sich manchmal über den Weg. Wichtig ist, dass Politiker sich an den festgelegten strategischen Zielen orientieren, weniger, dass sie Naturwissenschaften studiert haben. Ich glaube, dass auch Markus Söder den Klimawandel verstanden hat, aber er lässt sich von der Stimmung in der Öffentlichkeit ablenken. In Bayern stehen kaum Windräder. Wir werden die Gigafactory in Wittenberg mit Energie aus Wind und Sonne betreiben.
Die Energiewende ist bei den Deutschen unpopulär. Viele wehren sich gegen neue Windräder, kaufen weder Wärmepumpen noch E-Autos. Droht die Energiewende an mangelnder Akzeptanz zu scheitern?
Das ist eher ein Mindset-Problem. Es ist nicht so, dass die Menschen die Energiewende nicht wollen, aber sie haben Angst. Vielleicht getrieben von der AfD und anderen Populisten befürchten sie, dass die Wirtschaft am Ende ist und alles immer schlechter wird. Und so halten die Leute momentan ihr Geld in der Hand und rennen nicht los, um in die Zukunft zu investieren.
Es ist nicht so, dass die Menschen die Energiewende nicht wollen, aber sie haben Angst.
Sie verkaufen Ihre Batteriespeicher vor allem an mittelständische Betriebe, an Bäcker, den Hotelier, Metallunternehmen. Die sind ja offenbar bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Was treibt sie an?
Unternehmer wollen ihre Betriebs- und Energiekosten senken. Deshalb installieren sie Photovoltaik-Anlagen und benötigen starke Speicher, damit sie den Strom auch nachts nutzen können, wenn keine Sonne scheint. Oder um Lastspitzen abzupuffern. Wenn in einem Hotel etwa abends die Gäste in die Sauna gehen, steigt der Bedarf an Strom plötzlich stark an. Wir versorgen aber auch große Fischfarmen in Norwegen. Die schwimmen ja auf dem Meer und haben keinen Stromanschluss. Bislang nutzten die Farmen vor allem Dieselgeneratoren, um Strom zu erzeugen. Dies sind laut und dreckig. Mit unserem Speicher läuft der Generator nur noch eine Stunde statt 24 Stunden. Das hat auch einen ökologischen Impact und der Betreiber spart Dieselkraftstoff.
Für Batteriezellen braucht man Lithium, ein Rohstoff, der vor allem in Chile, China, Australien abgebaut wird, oft unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen. Sind Unternehmen wie Tesvolt in der Verantwortung, Missstände zu verbessern?
Wir können nicht jede Mine kontrollieren. Aber wir können den Anteil an Seltenen Erden reduzieren und den mit anderen Trägermaterialien aus Recyclingprozessen erhöhen, zum Beispiel Aluminium und Nickel. Wir haben eigene Forscher, die sich damit beschäftigten. In der neuen Generation wird der Lithiumanteil von 30 Prozent auf zehn Prozent geschrumpft sein. Und wir werden ihn in dem Werk, das wir jetzt bauen, weiter mit unseren Zelllieferanten minimieren.
Viele Start-ups entwickeln innovative Technologien, aber nur die wenigsten schaffen den Sprung zu einer industriellen Serienfertigung. Was braucht man dafür?
Die Freiheit, zu glauben und zu träumen. Wenn alle an etwas glauben und auch dahinterstehen, dann entsteht dieser Sog. Dann kann man so etwas auch schaffen. Wir haben das bei der Planung der Gigafactory gespürt. Daran haben viele Leute zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben mitgearbeitet. Nur so ist beispielsweise die Idee mit der "Gartenbrücke" entstanden: In ihr wachsen Bäume, sie besteht aus recycelbarem Material und soll eines Tages die beiden neuen Gebäude, Fertigung und Forschung, miteinander verbinden. Wenn die Leute wirklich Lust auf etwas haben und fest daran glauben, entsteht Großes.